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Online-Magazin von sf-mvb

Lesedauer ca. 3 Min.

Patch-Work Familie und Rollenverteilung

Kolumne

Patch-Work Familie und Rollenverteilung

Mit der Gründung einer Familie und jedem weiteren Kind werden die bestehenden Rollen innerhalb des Familiensystems jedes Mal neu aufgestellt. Die Dynamik ändert sich. Bei einer Patchwork-Familie ist das Finden der eigenen Rolle umso komplexer und es bedarf oftmals eine gewisse Zeit, bis jeder und jede sein Plätzchen gefunden hat.

Der verzweifelte Vater meldete sich per E-Mail. Das Zusammenleben in der Patchwork-Familie gestalte sich immer schwieriger. Vor allem das Verhalten des gemeinsamen Sohnes sei eine grosse Herausforderung. Dieser reagiere in vielen Situationen mit lautem Schreien und starker Ablehnung. Wir vereinbarten einen Termin in der Beratungsstelle.

Der Vater kommt alleine. Er erzählt aus dem Alltag mit dem gemeinsamen kleinen Sohn und den zwei Kindern seiner Partnerin. Sein Wunsch, seine Partnerin abends entlasten zu können, damit sie ihre zwei schulpflichtigen Kinder ins Bett begleiten könne, blockiere der Junge komplett. Sobald das Abendritual ansteht, protestiere dieser vehement, will nur zu seiner Mutter. Der Kleine schreie inzwischen jeden Abend aus Leibeskräften. Jegliche Versuche, von Ablenkungsmanövern bis zu explizitem Durchgreifen, scheiterten. 

Zu Beginn seien sie als Eltern davon ausgegangen, dass dies eine Phase sei, welche mit der Zeit vorbeigehen werde. Leider sei dies nicht der Fall und die täglichen Wutanfälle seien für die ganze Familie zunehmend eine grosse Belastung. Inzwischen sei er als Papa so weit, dass er sich in die Küche zurückziehe, um abzuwaschen, während seine Partnerin alle drei Kinder ins Bett bringe.

Im Beratungsgespräch gebe ich dem Vater die Möglichkeit, über seine neue Rolle als Vater, Mitglied einer Patchwork-Familie und die damit verbundenen Herausforderungen in Ruhe zu sprechen. Als Beraterin zeige ich auf, in welcher Entwicklungsphase der kleine Junge steckt, und welche Veränderungen anstehen. Mit dem Augenmerk auf die entspannten Momente wird der Fokus auf das Gelingende gelegt. Tagsüber gemeinsam Ball spielen, im Garten herumwerkeln oder auf dem Spielplatz Sandkuchen backen, erlebe er beispielsweise als entspannte Momente. Der Vater erkennt, dass der Alltag nicht „nur“ schwierig und anstrengend ist. Die herausfordernde Phase des Tages liegt klar in den Abendstunden, wenn der kleine Junge partout von der Mama ins Bett gebracht werden will. Dann habe er den Eindruck, als Papa zu versagen. 

Gemeinsam suchen wir nach neuen Möglichkeiten, um dieses Muster zu durchbrechen. Denn möglichweise geht es dem Kleinen vielmehr darum, dass er sich durch die strikte Trennung beim Abendritual ausgeschlossen fühlt. Die Idee, das Zubettgehen vermehrt als Familie gemeinsam zu gestalten und die Kinder weniger strikt zu trennen, gefällt dem Vater. Mit dieser neuen Perspektive, der positiven gemeinsamen Momente als Ressource im Hinterkopf und der Zusicherung, dass er als Vater nicht versagt habe, macht er sich auf den Nachhauseweg. Den nächsten Termin möchte er gemeinsam mit seiner Partnerin wahrnehmen.