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Online-Magazin von sf-mvb

Lesedauer ca. 4 Min.

Traumberuf in Gefahr – warum die Schweiz dringend mehr Kinderärzte braucht

mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz

Traumberuf in Gefahr – warum die Schweiz dringend mehr Kinderärzte braucht

Überlastung, Bürokratie und zu wenig Nachwuchs: Der Beruf der Kinderärzte verliert an Attraktivität. Dabei sind sie für Familien unverzichtbar.

Kinderärztinnen und Kinderärzte sind eine tragende Säule im Schweizer Gesundheitssystem. Sie begleiten Kinder von Geburt an, erkennen früh Entwicklungs- oder Gesundheitsprobleme und stehen Familien in Krisensituationen beratend und beruhigend zur Seite. Für viele Eltern sind sie weit mehr als „nur“ medizinische Fachpersonen – sie sind Vertrauenspartner, die Orientierung geben und entscheidend zum Wohlbefinden der gesamten Familie beitragen.

Doch diese tragende Säule gerät ins Wanken. In der Schweiz fehlen bereits heute mehrere hundert Kinderärztinnen und Kinderärzte. Besonders in ländlichen Regionen wird es für Familien zunehmend schwierig, überhaupt noch eine Kinderarztpraxis zu finden. Notfallstationen der Kinderspitäler verzeichnen teilweise einen Anstieg der Konsultationen um über 50 Prozent, weil Familien keine Anlaufstelle mehr in der Grundversorgung haben.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie ernst die Lage ist: Das Durchschnittsalter der praktizierenden Kinderärztinnen und Kinderärzte liegt bei rund 51 Jahren. In den nächsten zehn Jahren werden voraussichtlich 40 Prozent in Pension gehen – während gleichzeitig viele junge Ärztinnen und Ärzte lieber in Teilzeit arbeiten, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Das bedeutet: Um die gleiche Versorgungsleistung wie heute zu sichern, braucht es deutlich mehr Nachwuchs. Doch die Realität sieht anders aus – zu wenige Studienplätze, zu wenig Praxis-Ausbildungsstellen und ein Tarifsystem, das die pädiatrische Grundversorgung wirtschaftlich unattraktiv macht.

Diese Situation ist kritisch. Denn wer sich heute für den Beruf des Kinderarztes entscheidet, trifft oft auf überbordende Bürokratie, einen hohen administrativen Aufwand und eine Vergütung, die den Praxisalltag kaum trägt. Dabei sollte dieser Beruf eigentlich ein Traumberuf sein – sinnstiftend, abwechslungsreich und für die Gesellschaft unverzichtbar. Damit mehr junge Medizinerinnen und Mediziner diesen Weg einschlagen, braucht es dringend bessere Rahmenbedingungen: weniger Bürokratie, faire Tarife, mehr Ausbildungsplätze und flexible Arbeitsmodelle, die eine gute Vereinbarkeit mit dem Privatleben ermöglichen.

Ein starkes Team für Familien
Gerade in dieser angespannten Situation zeigt sich auch, wie wichtig die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen ist – unter anderem mit Mütter- und Vaterberater:innen. Sie stehen Familien im Alltag nahe, begleiten Entwicklungsprozesse, erkennen Belastungen und können wichtige Schnittstellen zur medizinischen Versorgung bilden. „Wir erleben täglich, wie Eltern in Sorge sind, wenn sie keinen schnellen Zugang mehr zu einer Kinderärztin finden. In solchen Momenten ist es entscheidend, dass wir beratend zur Seite stehen und die Brücke zur medizinischen Fachversorgung schlagen“, sagt eine erfahrene Mütter und Väterberaterin aus dem Kanton Zürich.

Diese Zusammenarbeit bedeutet mehr als eine reine Weiterleitung: Berater:innen können bei Fragen zur Ernährung, Entwicklung oder Erziehung wertvolle Orientierung geben und damit die Praxen entlasten. Umgekehrt können Kinderärzte auf die Expertise der Berater:innen vertrauen, wenn es um die Begleitung von Familien im Alltag geht. So entsteht ein Netzwerk, das Familien auffängt, Ressourcen schont und auch in Zeiten knapper medizinischer Kapazitäten Stabilität vermittelt.

Der Kinderärztemangel ist also nicht nur ein medizinisches Problem, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Wenn wir wollen, dass jedes Kind auch in Zukunft Zugang zu einer verlässlichen, kompetenten und menschlich zugewandten Betreuung hat, müssen wir den Beruf der Kinderärzte wieder zu dem machen, was er sein sollte: eine attraktive und erfüllende Berufung. Und wir müssen die Zusammenarbeit zwischen allen Fachpersonen rund um das Kind stärken. Nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Kinder gut versorgt sind, Eltern sich unterstützt fühlen – und die Gesellschaft von morgen gesund aufwächst.

mfe – der Verband für die politischen Anliegen der Haus- und Kinderärzte

Die Gesundheit der Bevölkerung, ihre Lebensqualität sowie die Kosten und die Qualität der Gesundheitssysteme sind stark vom Stellenwert der Hausarztmedizin abhängig. mfe setzt sich für die Förderung, die Besserstellung und die Stärkung der Hausarztmedizin ein.

Weitere Informationen:

Sandra Hügli-Jost
Kommunikationsbeauftragte mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
078 920 24 05 / sandra.huegli@hausaerzteschweiz.ch
www.hausaerzteschweiz.ch